Haftungsfalle Freelancer Vertrag: So vermeiden Sie Vertragsstreitigkeiten
Der Vertrag mit dem Auftraggeber kann für Freelancer zur teuren Haftungsfalle werden: Vertragsstreitigkeiten können sich über Jahre hinziehen und kosten viel Geld, das woanders besser investiert wäre. Dabei können Freelancer bereits beim Vertragsabschluss die Weichen dafür stellen, dass es gar nicht erst zu Streitigkeiten kommt. Hier erfahren Sie, worauf Sie achten müssen.
Die häufigsten Vertragsstreitigkeiten
Wenn es um Streitigkeiten aufgrund vertraglicher Vereinbarungen geht, geht es meist um unterschiedliche Erwartungen. Der Auftraggeber erwartet etwas anderes als der Freelancer, es besteht Uneinigkeit zu den Vertragsinhalten. „Häufig haben wir das Problem, dass wir entweder gar keine vernünftige Leistungsinhaltsbeschreibung haben, weil einfach E-Mails ausgetauscht werden“, sagt Fachanwalt Carsten Schröder in unserem Interview. Oft müsse man sich Vertragsinhalte dann anhand von E-Mail-Verläufen zusammensuchen, zudem werden oft einfach Muster-Verträge aus dem Internet kopiert und ausgefüllt, die gar nicht zum Projekt passen. Streitigkeiten sind dann vorprogrammiert. Und hier ist schon der Ansatzpunkt zu der Frage, wie Sie als Freelancer von Anfang an Vertragsstreitigkeiten vermeiden können: Beschreiben Sie das Projekt so konkret wie möglich, definieren Sie die Vertragsinhalte und den Leistungsumfang konkret.
Weitere Spannungsfelder gibt es häufig beim Dienst- oder Werklohn sowie bei der Gewährleistungs- und Haftungsfrage. Auch hier können Sie als Freelancer bereits bei Vertragsabschluss die späteren Streitigkeiten verhindern, indem Sie genaue Vereinbarungen zu diesen Punkten treffen.
Was Sie genau beim Freelancer-Vertrag beachten müssen, erfahren Sie jetzt.
Vertragsarten: Werkvertrag oder Dienstvertrag?
Für den Freelancer-Vertrag gibt es zwei Vertragsarten: den Werkvertrag oder Dienstvertrag.
Bei einem Werkvertrag schulden Sie als Freelancer Ihrem Auftraggeber ein bestimmtes Werk (zum Beispiel eine Software oder eine App), das am Ende vom Auftraggeber abgenommen wird.
Bei einem Dienstvertrag schulden Sie dem Auftraggeber kein konkretes Ergebnis, sondern eine bestimmte Dienstleistung über einen vereinbarten Zeitraum, beispielsweise die Unterstützung bei einem bestimmten Projekt oder weil das Unternehmen aufgrund einer ungewöhnlichen Auftragslage Hilfe benötigt.
Freelancer Vertrag: Wichtige Inhalte, um Streitigkeiten vorzubeugen
Um Streitigkeiten von vornherein zu vermeiden, nehmen Sie auf jeden Fall diese Inhalte in einen schriftlichen Vertrag auf:
- Konkrete Leistung, die Sie erbringen sollen: Definieren Sie gemeinsam mit Ihrem Auftraggeber genau, welche Aufgabe Sie erfüllen sollen, ggf. mit mehreren Unteraufgaben. Vermeiden Sie allgemeine Beschreibungen wie „wird als Unterstützung für Projekt XY beschäftigt.“
- Welche Vergütung wann gezahlt wird: Vereinbaren Sie beim Dienstvertrag das Honorar auf Stunden- oder Tagesbasis sowie eventuelle Spesen (zum Beispiel Fahrt- oder Übernachtungskosten). Legen Sie das Zahlungsziel fest. Hinweis: Wenn Sie kein Zahlungsziel festlegen, gilt automatisch die gesetzliche Zahlungsfrist von 30 Tagen.
- In welchem Zeitraum die Leistung erbracht werden soll: Vereinbaren Sie von Anfang an den Zeitraum für das Projekt und die Stunden bzw. Tage, die Sie dafür benötigen. Also beispielsweise einen Projektzeitraum von Mai bis Juli mit 35 (Personen-)Tagen à 8 Stunden.
- Regelungen für Haftung und Gewährleistung: Informieren Sie sich insbesondere beim Werkvertrag vorab über Ihre Risiken und lesen Sie sich die Vereinbarungen zur Haftung im Vertrag genau durch. Gegebenenfalls sollten Sie entsprechende Klauseln von einem Anwalt prüfen lassen. Denn oft finden sich in Verträgen Vereinbarungen, die den Freelancer benachteiligen, zum Beispiel Haftungsverschärfungen und verschuldensunabhängige Haftung.
- Urheber- und Nutzungsrechte festlegen: Wenn Sie als Freelancer ein Logo designen, Content erstellen oder eine App programmieren, sind Sie der Urheber Ihrer Arbeit. In der Regel erhält der Aufraggeber die Nutzungsrechte dafür. Regeln Sie diese im Vertrag und legen Sie fest, wann diese eingeräumt werden und wie lange sie gelten. Gleichzeitig sollten Sie auch festlegen, inwieweit Sie Ihre Arbeit für Ihre Eigenwerbung nutzen dürfen, zum Beispiel für eine Referenz oder ein Testimonial.
- Änderungswünsche und Überarbeitungsschleifen: Wenn Sie in Ihrem Vertrag nicht regeln, wie viele Änderungswünsche Ihres Kunden inklusive sind und wie viel Sie für zusätzliche Leistungen, etwa im Rahmen eines Change Request, verlangen, dann kann es schnell passieren, dass Sie in einer Endlos-Änderungsschleife landen und der Kunde mit immer neuen Wünschen kommt.
- Welche Voraussetzungen für eine Kündigung gelten: Ein Dienstvertrag endet automatisch nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit. Da eine ordentliche Kündigung eines befristeten Dienstvertrags nur möglich ist, wenn dies vertraglich geregelt ist, sollten Sie im Vertrag die Möglichkeiten einer Kündigung festlegen. Bei einem unbefristeten Dienstverhältnis ist dagegen eine ordentliche Kündigung möglich (die Kündigungsfristen sind in § 621 BGB geregelt). Sind im Vertrag keine Kündigungsmöglichkeiten vereinbart, ist eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Um ein abruptes Ende und einen plötzlichen Einkommensausfall zu verhindern, können Sie mit Ihrem Auftraggeber vertraglich eine Stornierungsfrist für die vorzeitige Beendigung der Zusammenarbeit vereinbaren (zum Beispiel eine bestimmte Anzahl an Personenstunden).
Bei einem Werkvertrag gibt es die Möglichkeit eines Rücktritts des Auftraggebers. Welche Folgen dies für Sie als Auftraggeber haben kann, können Sie in diesem Schadenfall nachlesen: Rücktritt vom Webdesign-Vertrag: Wenn der Kunde nicht mehr will…
Vertragsstreitigkeiten vermeiden: Darauf sollten Sie noch achten
Um Vertragsstreitigkeiten zu vermeiden, gibt es über die Vertragsinhalte hinaus noch weitere Dinge, die Sie tun können:
Lasten- und Pflichtenheft bei Werkverträgen erstellen
Ein wichtiges Tool, um Missverständnissen und Streitigkeiten vorzubeugen, ist das Lasten- und Pflichtenheft. Das Lastenheft erstellt der Auftraggeber und definiert darin seine Anforderungen an das Projekt und an Sie als Freelancer. Wenn Ihr Auftraggeber das Lastenheft erstellt hat, liefern Sie quasi Ihre Antwort darauf, nämlich das Pflichtenheft. Sie geben darin detailliert an, wie Sie die Anforderungen des Auftraggebers umsetzen werden. Das Lasten- und Pflichtenheft ist die Kommunikationsgrundlage für das Projekt und begleitet es von Anfang bis Ende. Wenn Sie es bereits vor Vertragsschluss erstellen und in den Vertrag miteinbeziehen, gibt es weniger Gründe für spätere Vertragsstreitigkeiten.
Einfach formulieren
Sofern Sie den Vertrag von Ihrer Seite aus vorgeben können, formulieren Sie diesen einfach und verzichten Sie auf komplizierte Klauseln. Das ist nicht nur für Auftraggeber von Vorteil, die über keine eigene Rechtsabteilung zur Vertragsprüfung verfügen. Falls Sie einen Vertrag von Ihrem Auftraggeber erhalten und nicht jedes Detail verstehen, fragen Sie auf jeden Fall nach und unterschreiben Sie den Vertrag erst, wenn Unklarheiten ausgeräumt sind.
Sofern Sie unsicher sind, ob eine Haftungsklausel in Ihrem Vertrag von der Berufshaftpflicht abgedeckt ist, prüfen unsere Kundenbetreuer diese gerne für Sie.
Keine Musterverträge aus dem Netz kopieren
Verwenden Sie nicht einfach Musterverträge aus dem Internet oder kopieren Verträge von der Konkurrenz. Erstens passen diese höchstwahrscheinlich nur ungenügend auf Ihr Projekt, dann sind Missverständnisse und Streitigkeiten vorprogrammiert; und zweitens können auch Verträge urheberrechtlich geschützt sein, dann kann es sein, dass Sie wegen Urheberrechtsverletzung abgemahnt werden.
Schriftlich kommunizieren
Halten Sie alles, was Sie im Laufe des Projekts zusätzlich mit dem Auftraggeber vereinbaren, und sämtliche Änderungswünsche des Auftraggebers schriftlich fest. Am besten besprechen Sie im Vorfeld, wie das „Change Management“ während des Projektes durchgeführt wird. Kommunizieren Sie per E-Mail oder fassen Sie mündliche Absprachen im Nachhinein noch einmal per Mail zusammen und lassen Sie sich diese vom Auftraggeber bestätigen. Kommt es später zu Streitigkeiten, haben Sie zumindest einen schriftlichen Nachweis über die Absprachen.
Vertragsvorlagen aktualisieren
Wenn Sie eigene Vertragsvorlagen verwenden, sollten Sie diese immer mal wieder überprüfen und gegebenenfalls aktualisieren. Wenn es zu einem bestimmten Punkt immer wieder zu Streitigkeiten in der Vergangenheit kam, sollten Sie daraus lernen und diesen überarbeiten bzw. in den Vertrag aufnehmen.
Bei Vertragsstreitigkeiten richtig reagieren
Wenn es trotz aller Vorsicht zu Vertragsstreitigkeiten kommt und Sie trotz aller Bemühungen zu keinem Konsens mit dem Auftraggeber kommen, dann gilt: Bleiben Sie ruhig, lassen Sie sich nicht in die Ecke drängen und lassen Sie Ihre Position rechtlich überprüfen. Unser Experte, Fachanwalt Carsten Schröder, rät zu einem vermittelnden Weg: Anwalt einschalten – ja, aber: erst einmal nur, um die eigene Position intern überprüfen zu lassen. So können Sie, ohne dass Sie dem Auftraggeber gleich mit dem Anwalt drohen, herausfinden, wie Ihre Ausgangslage ist, welche Ansprüche und Rechte Sie haben. Im zweiten Schritt rät der Experte dazu, gerichtliche Auseinandersetzungen unbedingt zu vermeiden. Da die Wahrheit meist irgendwo in der Mitte liege, sei ein Zugeständnis meist besser und günstiger als ein jahrelanger Rechtsstreit. Das Interview mit Carsten Schröder können Sie sich hier ansehen:
Wenn Sie eine Berufshaftpflicht abgeschlossen haben, informieren Sie den Versicherer sofort, wenn Ansprüche gegen Sie gestellt werden. Warten Sie auf keinen Fall bis zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Da es zu Ihren Pflichten als Versicherungsnehmer (sogenannte Obliegenheiten) gehört, einen Schaden bzw. eine Anspruchstellung unverzüglich zu melden, kann eine verspätete Meldung zu Nachteilen für Sie führen.
Vertragliche Haftung: Berufshaftpflicht über exali.at schützt
Wenn am Ende alles nichts nützt und Sie aufgrund vertraglicher Vereinbarungen haften müssen und Schadenersatz bezahlen sollen, ist eine Berufshaftpflicht über exali.at an Ihrer Seite. Anders als bei vielen anderen Versicherungen ist bei uns auch die vertragliche Haftung in allen Berufshaftpflichtverträgen eingeschlossen.
Im Haftungsfall prüft der Versicherer die Forderung auf eigene Kosten, wehrt unberechtigte Ansprüche ab und bezahlt den berechtigten Schadenersatz.
Mit flexiblen Zusatzbausteinen können Sie außerdem Ihr Business bei Vertragsstreitigkeiten noch umfassender absichern, beispielsweise bei einem Rücktritt des Auftraggebers vom Projektvertrag (Werkvertrag) oder dem Zusatzschutz für IT-Projektverträge.
Sie haben Fragen zum besten Versicherungsschutz für Ihr Business? Dann rufen Sie uns gerne an, unsere Kundenbetreuung ist ohne Callcenter oder Warteschleife für Sie erreichbar.
Ehem. Chefredakteurin Online-Redaktion
Wer bin ich?
Nach einem Volontariat und ein paar Jahren in der Unternehmenskommunikation bin ich nun bei exali als Chefredakteurin in der Online-Redaktion für Content aller Art zuständig.
Was mag ich?
Sommer, Reisen, gutes Essen und Fußball.
Was mag ich nicht?
Bahn fahren, Rosenkohl und Schleimer.