Stundensatzkalkulation: Tipps für Freelancer:innen

Wo finde ich Informationen zur Stundensatzkalkulation in meinem Tätigkeitsbereich? Wie kommuniziere ich Stundensatz-Veränderungen gegenüber langjährigen Auftraggeber:innen? Was muss ich bei der Kalkulation des Stundensatzes grundsätzlich bedenken? Magnus Gernlein von freelancermap kennt sich mit solchen Fragen aus und hat uns im Interview erklärt, worauf es bei der Kalkulation des Stundensatzes für Freelancer:innen und Selbständige ankommt.
 
 

Herausforderung Stundensatzkalkulation

exali:
Warum tun sich viele Freelancer:innen so schwer mit der Kalkulation ihres Stundensatzes?

Magnus Gernlein:
Generell ist es einfach so, dass es sehr wenige Vergleichswerte gibt, an denen sich Freelancer:innen orientieren können - speziell dann, wenn es nach Branche oder Skillset geht. Hier tun sich die einzelnen Freelancer:innen insgesamt schwer, die entsprechenden Informationen online oder anderswo zu finden. An dieser Stelle verweise ich gerne auf den Freelancerkompass - diese jährlich erscheinende Studie von Freelancermap ist mittlerweile die umfassendste Studie im deutschsprachigen Raum zur Situation auf dem Freelancer-Markt. Durch die Aufschlüsselung nach Branchen und anderen Kriterien bietet die Studie auch einen guten Überblick über die Stundensätze.

Wir sehen in unseren Studien, dass sich gerade Anfänger:innen, damit meine ich Freelancer:innen, die sich gerade erst selbständig gemacht haben, sehr schwer damit tun, ihren Stundensatz zu bestimmen. Zum einen aus Angst, mit einem zu hohen Stundensatz potenzielle Auftragsgeber:innen zu vergraulen oder gar nicht erst zu gewinnen. Zum anderen fällt es ihnen oft schwer, die Abgabenlast in Form von Steuern, Versicherungen und Betriebskosten richtig zu kalkulieren.

 

Stundensatz für größere und kleinere Aufträge

exali:
Macht es für meine Stundensatzkalkulation eigentlich einen Unterschied, ob ich einen großen oder mehrere kleine Aufträge habe?

Magnus Gernlein:
Grundsätzlich nicht. Allerdings sollte gerade bei kleinen Aufträgen der Organisationsaufwand berücksichtigt werden. Denn: Auch, wenn es sich um einen kleinen Auftrag handelt, müssen Rechnungen geschrieben und unter Umständen zeitaufwändige Telefonate geführt werden. Außerdem ist immer eine Einarbeitung notwendig. Unser Tipp an dieser Stelle: Handelt es sich um einen Auftrag, der sehr schnell erledigt werden muss, können Freelancer:innen hier auch einen deutlich höheren Preis verlangen - der Termindruck rechtfertigt in diesem Fall einen entsprechend höheren Stundensatz. Damit wird auch ein Puffer für weitere Aufträge geschaffen. Generell macht der Umfang des Auftrags aber keinen Unterschied für die Kalkulation des Stundensatzes.

Zahlen größere Konzerne einen höheren Stundensatz?

exali:
Welchen Einfluss hat die Größe meiner Auftraggeber:innen auf den Stundensatz, den ich verlange (kann ich beispielsweise bei einem DAX-Konzern generell einen höheren Stundensatz verlangen als bei einem kleinen Unternehmen)?

Magnus Gernlein:
Es ist oft so, dass größere Unternehmen in der Regel auch bereit sind, einen höheren Stundensatz zu zahlen. Eine generelle Regel lässt sich aber nicht aufstellen - das hängt auch stark von der Branche ab. Daher glaube ich, dass größere Unternehmen tendenziell mehr zahlen, aber ich denke, es kommt auch immer auf die Umstände an, weshalb ich mich hier nicht festlegen möchte.

Welche Faktoren können die Höhe des Stundensatzes beeinflussen?

exali:
Welche weiteren Faktoren können den Stundensatz beeinflussen - sind zum Beispiel Berufsausbildung oder Studium wichtig oder eher Berufserfahrung?

Magnus Gernlein:

Das ist eine interessante Frage. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse unserer Studie der letzten Jahre, dass der Wohnort der Freelancer:innen einen ganz entscheidenden Faktor bei der Höhe des Stundensatzes spielt. Hamburg belegt hier mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 93 Euro für IT-Freelancer:innen den ersten Platz, gefolgt vom Saarland mit 91 Euro. Die niedrigsten Stundensätze für Freelancer:innen im IT-Bereich werden dagegen im Osten Deutschlands ausgezahlt - das traurige Ende bilden hier Thüringen mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 72 Euro und Sachsen mit 70 Euro.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist zudem die Branche, in der die Freelancer:innen tätig sind. So verdienen IT-Fachkräfte in der Luft- und Raumfahrt durchschnittlich 101 Euro pro Stunde. Es folgen die Branchen Energie mit 95 Euro, Banken und Finanzen mit 93 Euro, Versicherungen sowie Handel und Konsum mit rund 92 Euro. Die Branchen, in denen Freelancer:innen mit Abstand am wenigsten verdienen, sind Beratung (75 Euro), Medien (74 Euro) und das absolute Schlusslicht bildet die Touristik mit 59 Euro.

Der dritte wichtige Faktor ist das Fachgebiet, in dem die Freelancer:innen tätig sind. Hier liegen auf unserer Plattform beispielsweise die SAP-Spezialist:innen mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 105 Euro ganz weit vorne. Dicht darauf folgt das Fachgebiet Beratung und Management - hier verdienen die Freelancer:innen im Schnitt 102 Euro pro Stunde. Der Sprung zu den Fachgebieten IT-Infrastruktur, Entwicklung und Ingenieurwesen ist dann mit etwa 20 Euro weniger schon relativ groß und am wenigsten verdienen im Schnitt Freelancer:innen in den Bereichen Grafik, Content und Medien mit knapp 60 Euro Stundenlohn.

Gibt es Vergleichszahlen zu Stundensätzen?

exali:
Wie kann ich herausfinden, welchen Stundensatz der Markt oder Auftraggeber:innen in meiner speziellen Situation als Freelancer:in zahlen würden? Wo bekomme ich Vergleichszahlen?

Magnus Gernlein:
Generell ist es für Freelancer:innen immer wieder eine Herausforderung, Vergleichszahlen zu finden. Bei Freelancermap haben wir beispielsweise eine Suchfunktion in unser Freelancer-Verzeichnis eingebaut, bei der die Nutzer:innen ihr Skillset eingeben können und dann auch Informationen zum durchschnittlichen Stundensatz in diesem Bereich erhalten. Das ist aus meiner Sicht eine sehr gute Orientierung, um den eigenen Stundensatz zu ermitteln.

Darüber hinaus haben wir 2022 auch ein neues Tool veröffentlicht, nämlich den Stundensatz-Rechner. Hier ist die Herangehensweise etwas anders: Als Freelancer:in gibt man hier zunächst an, welches Einkommen man anstrebt, wie viel man arbeiten möchte, wie hoch die Lebenshaltungskosten sind und welche Betriebsausgaben man pro Monat hat. Der Stundensatz-Rechner ermittelt dann auf Basis dieser Angaben einen für Sie passenden Stundensatz.

Wie handle ich einen höheren Stundensatz aus?

exali:
Angenommen, ich nehme schon seit mehreren Jahren immer wieder Aufträge von denselben Auftraggeber:innen an. Wie kann ich in diesem Fall einen höheren Stundensatz aushandeln?

Magnus Gernlein:
Das ist ebenfalls immer ein kniffliges Thema. Eine Möglichkeit besteht darin, statt eines festen Stundensatzes immer ein Leistungspaket zu schnüren, in demverschiedene Leistungen enthalten sind, und dafür einen Festbetrag zu verlangen, der dann im Durchschnitt höher ist als der bisherige Stundensatz. Hier muss man aber sehr genau kalkulieren, wie hoch der Arbeitsaufwand für die Leistungen im Paket ist, damit man am Ende nicht mehr arbeitet und damit weniger verdient.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit gesammelten Erfahrungen und Qualifikationen zu argumentieren. Als Freelancer:in sammelt man zum Beispiel mit der Zeit immer mehr Erfahrung im eigenen Bereich oder man besucht Kurse, erwirbt Zertifikate oder erhält Referenzen von früheren Kunden oder Kundinnen. Das lässt sich natürlich auch als gutes Argument ins Feld führen, um bei Auftraggeber:innen einen höheren Stundensatz zu verlangen. Ein Tipp von mir an dieser Stelle: Wenn es Ihre Auftragslage zulässt, können Sie auch mal eine Anfrage von langjährigen Auftraggeber:innen ablehnen, um sich relevanter zu machen und so eventuell auch den Preis etwas nach oben zu treiben.

Tipp:

Gerade für Selbständige ist das Thema Weiterbildung enorm wichtig, findet exali-Gründer Ralph Günther. In diesem Blog-Artikel schreibt er darüber, warum auch Selbständige Schulungen und Fortbildungen nicht vernachlässigen sollten: Ein Leben lang erfolgreich lernen

Gibt es auch bei Freelancer:innen einen Gender Pay Gap?

exali:
Thema Gender Pay Gap: Welche Rolle spielt das Geschlecht bei den Stundensätzen von Freiberufler:innen? Ist hier ein Effekt messbar?

Magnus Gernlein:
Ja, auf jeden Fall. Wir haben festgestellt, dass Freelancerinnen im Schnitt immer noch schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Einzige Ausnahme bildet interessanterweise der Bereich Grafik, Content und Medien - hier liegen die Stundensätze der Frauen im Schnitt tatsächlich etwas höher als die der Männer. Insgesamt zeigt sich jedoch ein Unterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen. Dieser hat sich in den letzten Jahren zwar etwas verringert, ist aber immer noch vorhanden.

Tipp:

Frauen gründen anders als Männer. Das erlebt Online-Business-Expertin Tanja Lenke immer wieder. In einem Gastbeitrag auf dem RGBlog gibt sie Tipps, wie Frauen der Schritt in die Selbständigkeit gelingt: Frauen starten anders in die Selbständigkeit

Freiberuflerinnen verdienen im Durchschnitt etwa 88 Euro pro Stunde - rund sieben Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Auf den Monat hochgerechnet liegt der Nettoverdienst der selbständigen Frauen um rund 1.000 Euro unter dem der Männer. In unseren Umfragen geben Frauen auch immer wieder an, dass es für sie eine Herausforderung darstellt, bei den Auftraggeber:innen eine bessere Bezahlung auszuhandeln. Interessant ist hier außerdem, dass die Lücke zwischen weiblichen und männlichen Freelancer:innen wesentlich kleiner ist als bei den Festangestellten. Bei den Freelancer:innen beträgt der Gender Pay Gap durchschnittlich 7 Prozent - bei den Festangestellten liegt er mit 21 Prozent deutlich höher.

Vielen Dank für das informative Gespräch!

Unser Interviewpartner Magnus Gernlein:

Magnus Gernlein leitet das Kooperationsmanagement der freelancermap GmbH, einer der führenden Projektbörsen für IT-Freelancer:innen und Projektanbieter:innen in Deutschland. Er befasst sich in seiner Freizeit intensiv mit den Themen Open Source-Software und -Betriebssystemen und testet gern die neuesten Gadgets aus der IT-Branche.

Über Freelancermap:

Seit mehr als zehn Jahren ist freelancermap eine der führenden Projektplattformen für Freiberufler:innen und Unternehmen speziell für die IT- und Engineering Branche. Ziel ist es, hochqualifizierte IT-Spezialist:innen und Unternehmen mit Personalbedarf zusammenzubringen -schnell, direkt und ohne Vermittlungsgebühren. Freelancermap bietet Freiberufler:innen und Unternehmen eine unabhängige Plattform für die Umsetzung ihrer IT-Projekte.
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