Shopsystem-Projekt gescheitert: Rücktritt und 100.000 Euro Schaden
Verschiedene Erwartungen sind nicht gut für`s Projekt…
Unser Versicherungsnehmer war in diesem Fall eine Digital-Agentur, die von ihrem Kunden, einem Onlineshop für DVDs und Hörspiele, dazu beauftragt wurde, diesen Onlineshop auf ein anderes Shopsystem „umzuziehen.“ An sich eine einfache Sache, dachten sich beide Parteien, zumal die Digital-Agentur auf das gewünschte Shopsystem spezialisiert war. Die Dauer des Projekts wurde auf circa ein Jahr veranschlagt.
Da die Digital-Agentur sehr agil arbeitet, gab es lediglich einen groben Projektplan mit einigen Meilensteinen. Was bei vielen Projekten ein Vorteil sein kann, wurde hier jedoch zum Problem. Denn dadurch wurde der Agentur erst im späteren Projektverlauf klar, dass das neue Shopsystem für den Onlineshop des Kunden nicht geeignet ist und sich damit auch die Erwartungen des Kunden nicht erfüllen lassen. Denn dieser arbeitete bisher mit einer individuell für ihn programmierten Shoplösung. Dadurch waren für ihn viele Funktionen selbstverständlich, die jedoch mit dem neuen „Standard-System“ gar nicht oder nur mit sehr großem Aufwand umsetzbar waren.
Projekt gescheitert, was nun?
Nachdem die Agentur einige Zeit versuchte, den Auftrag noch zu retten und doch noch die Wünsche des Kunden zu erfüllen, stellte sie nach mehreren überschrittenen Deadlines fest, dass dies nicht mehr möglich sein würde. Auch der Kunde hatte nicht mehr den Eindruck, dass das Projekt noch erfolgreich abgeschlossen werden konnte und wollte vom Auftrag zurücktreten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits rund 100.000 Euro an die Agentur (unseren Versicherungsnehmer) bezahlt, die er nun zurückforderte.
Unser Kunde wandte sich daraufhin hilfesuchend an exali. Der Fall war nicht einfach, da in dem agilen Projekt weder Deadlines noch konkrete Pflichten genau vertraglich festgehalten wurden. Zum einen kam zwar die Vorgabe, das Projekt mit dem neuen Shopsystem umzusetzen, vom Auftraggeber. Auf der anderen Seite war jedoch die Agentur mitverantwortlich für das Scheitern, weil sie trotz ihrer Erfahrung mit dem Shopsystem nicht erkannte, dass die Anforderungen des Kunden damit (zumindest in einem sinnvollen betriebswirtschaftlichen Rahmen) nicht umsetzbar waren.
Auch für einen eventuellen Rechtsstreit wäre die Ausgangslage schwierig gewesen: Die Richter hätten klären müssen, ob der Auftraggeber wirklich genügend Gründe hatte, um komplett vom Projekt zurückzutreten und wie schwer die Verantwortung der Agentur wog.
Die Lösung: schnell, wirtschaftlich und ohne Rechtsstreit
Aus diesen Gründen lag allen Parteien nichts daran, es auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen. Stattdessen wurde nach einer schnellen betriebswirtschaftlichen und nicht juristischen Lösung gesucht. Da die Fronten noch nicht verhärtet waren und von beiden Seiten noch Gesprächsbereitschaft bestand, standen die Zeichen dafür ganz gut. Nach einem persönlichen Gespräch zwischen den Projektbeteiligten der Agentur und der Schadenabteilung des Berufshaftpflichtversicherers wurde vereinbart, dass der Versicherer 50 Prozent der Summe übernimmt, die der Kunde bereits an die Agentur bezahlt hatte, also rund 50.000 Euro. Die Agentur wiederum erklärte sich bereit, dem Kunden die anderen 50 Prozent zurückzuzahlen. Gleichzeitig verpflichtete sich der Auftraggeber schriftlich, keine weiteren Schadenersatzforderungen, wie Mehraufwendungen wegen der Leistungsverzögerung, mehr bei der Agentur geltend zu machen.
Zusatzbaustein „Rücktritt des Auftraggebers“
Grundlage für das Vorgehen in diesem Fall war der Zusatzbaustein „Rücktritt des Auftraggebers vom Projektvertrag“, den die Agentur zu ihrer IT-Haftpflicht abgeschlossen hatte. Wenn der Kunde berechtigt von einem Werkvertrag zurücktritt (was im vorliegenden Fall unklar war), werden beide Parteien (Auftraggeber und Auftragnehmer) so gestellt, als hätte es das Projekt nicht gegeben. Das heißt, der Auftraggeber muss erhaltene Leistungen zurückgeben bzw. darf sie nicht verwenden. Der Auftragnehmer muss erhaltene Zahlungen zurückzahlen (in diesem Fall rund 100.000 Euro) und bleibt auf seinen Personal-, Material- und Verwaltungskosten für das Projekt sitzen. Der Versicherer ersetzt im Rahmen des Zusatzbausteins die vergeblichen Aufwendungen des Versicherungsnehmers, sofern dieser nicht von Beginn an grob fahrlässig gehandelt hat.
Eine Berufshaftpflicht ist mehr als „nur“ Zahlmeister…
Dieser Fall zeigt deutlich, dass eine Berufshaftpflicht im Schadenfall oft mehr macht, als „nur“ eine Summe X zu bezahlen. Sie versucht immer auch im Rahmen des gewählten Versicherungsschutzes eine gute Lösung für die Parteien, insbesondere für den Versicherungsnehmer, zu finden. Das kann – wie in diesem Fall – die Verhinderung eines teuren und langwierigen Rechtsstreits sein, oder die Abwehr von unberechtigten Forderungen (zum Beispiel bei einer ungerechtfertigten Abmahnung).
In diesem Fall hatte die Digital-Agentur eine IT-Haftpflicht über exali abgeschlossen, da sie neben der Anpassung von Shopsystemen auch Individualsoftware entwickelt. Jedoch können sich Agenturen auch über die Media-Haftpflicht absichern, wenn sie keine eigene Software entwickeln. Wenn Sie Fragen dazu haben, welcher Versicherungsschutz am besten für Ihr Business geeignet ist, dann melden Sie sich einfach bei uns. Bei exali.at sind unsere Versicherungsexperten persönlich für Sie da, ohne Callcenter und Warteschleife.
© Ines Rietzler – exali AG