Programmieren lernen für Freelancer:innen – was bringt das?
Warum lohnen sich Programmierkenntnisse auch für Nicht-ITler:innen?
exali: Eine vielleicht etwas gewagte These zum Einstieg: Programmieren ist nur was für ITler:innen. Was sagen Sie dazu?
Dr. Julia Freudenberg:
Das Programmieren als tägliche, berufliche Tätigkeit ist sicher mehr etwas für ITler:innen. Aber Kenntnisse im Programmieren, das Wissen, wie so ein Code denn überhaupt funktioniert, das ist etwas, womit sich alle heutzutage einmal beschäftigen sollten. Wir leben in einer Welt, die zunehmend technischer und digitaler wird. Deswegen fangen wir bei der Hacker School auch schon früh an und geben Kindern und Jugendlichen ab 11 Jahren die Möglichkeit, das Programmieren spielerisch zu entdecken. Aber wir plädieren auch für lebenslanges Lernen. Es ist nie zu spät, sich mal auf das Abenteuer IT einzulassen.
exali: Wieso reicht es denn nicht, wenn ich als Freiberufler:in beim passiven Konsumieren von Social Media, Apps & Co. einigermaßen weiß, wie der Hase läuft und vielleicht noch ab und zu selbst etwas online stelle?
Dr. Julia Freudenberg:
Das kann reichen. Ich finde es immer schwierig, alle über einen Kamm zu scheren. Sich mit dem Programmieren mal näher zu beschäftigen, kann für die eine mehr Sinn machen, als für den anderen. Es ist aber immer auch die Frage: Was will ich verstehen? Wie funktionieren denn die Algorithmen, die im Netz bestimmte Dinge steuern, wenn ich etwas online stelle? Wie funktioniert denn so eine App eigentlich und was passiert mit Daten, die ich dort eingebe? Natürlich kann ich das alles auch ignorieren. Meine Empfehlung ist allerdings, es nicht zu tun, sondern manches zu hinterfragen, indem ich mir Programmierwissen aufsattele. Zudem bekommt man bei der Beschäftigung damit einen Zugang zu einer neuen Fehlerkultur, die uns allen gut tut. Programmieren ist ja nicht zuletzt auch immer wieder Bugfixing und das Finden des Fehlers, der das Programm stolpern lässt. Zu verstehen, das Fehlermachen dazu gehört und sogar etwas Gutes sein kann, das mich weiterbringt, wenn ich daraus lerne, ist eine wichtige Erkenntnis auch für Menschen, die im Berufsleben stehen.
exali: Was nützen mir Programmierkenntnisse als Freelancer:in, auch wenn ich nicht unmittelbar im IT-Bereich tätig bin?
Dr. Julia Freudenberg:
Hier gilt prinzipiell das Gleiche. Wir sind alle täglich im Internet unterwegs, nutzen selbstverständlich Handy und Tablet mit verschiedenen Apps und sind in unserem Alltag vernetzt. Einfach zu wissen, wie das alles funktioniert, kann auch für jemanden Sinn machen, der nicht ständig damit arbeitet, aber eben auch von dieser digitalen Welt umgeben ist. Und letztlich auch einfach, weil es Spaß macht, einmal selbst zu programmieren. Sei es eine kleine Webseite oder ein Mini-Game - es ist eine bunte, kreative Welt, die dort wartet.
Wie können Freelancer:innen sich diese Programmierkenntnisse beschaffen?
exali: Gerade Freiberufler:innen sind schon ganz schön ausgelastet. Welche Wege gibt es, um sich zusätzlich zu diesem Workload auch noch IT-Kenntnisse anzueignen?
Dr. Julia Freudenberg:
Hier kann ich nur - zumindest für die Frauen - auf unsere GIRLS Hacker School verweisen. Einmal im Monat bieten wir hier am Wochenende Kurse für alle zwischen 11 und 99 Jahren an. Die Kurse finden online statt und dauern 2x4 Stunden. Sie machen Spaß und können somit durchaus auch als “erholsame Freizeit” verbucht werden. Am Ende hat jede Teilnehmerin ihr eigenes kleines Projekt programmiert und dazu IT-Grundlagen gelernt. Und anschließend ist immer noch Zeit für einen Sonntagskaffee in der Sonne. Aber es gibt auch viele andere Angebote, sich kompakt IT-Wissen anzueignen. Man sollte es nicht als zusätzlichen Workload, sondern als Erweiterung des Horizonts betrachten.
Jede:r kann Programmieren lernen
exali: Oft besteht ja eine große Hemmschwelle, sich mit Informationstechnik zu beschäftigen. Gehen Kinder anders an dieses Thema heran als Erwachsene?
Dr. Julia Freudenberg:
Grundsätzlich sind Kinder sicher schneller bereit, sich auf neue Erfahrungen einzulassen. Aber es kommt ganz darauf an. Wir machen immer noch die Erfahrung, dass sich oft die Jungs das ganze Thema mehr zutrauen, als die Mädchen. Das liegt natürlich an unserer Gesellschaft und dem Vorurteil, die IT wäre mehr was für Jungs. Alles Unsinn. Deswegen haben wir die GIRLS Hacker School ins Leben gerufen und laden hier auch gezielt die Mütter mit ein, um genau diese Barriere in den Köpfen einzureißen. Nach unseren Erfahrungen sind Mädchen anfangs eher zurückhaltend, bekunden fehlendes Interesse am Programmieren und sind bereit, ihren männlichen Mitschülern das Feld zu überlassen. Nach dem Kurs sieht das dann schon ganz anders aus. Da ist plötzlich das Interesse geweckt und die Mädchen haben festgestellt, dass sie das genauso gut, wenn nicht sogar besser können. Das setzt ganz neue Energien frei.
exali: Was können Erwachsene tun, um leichter Zugang zum Thema IT zu finden?
Dr. Julia Freudenberg:
Einfach das Interesse dafür haben und die Berührungsängste ablegen. Programmieren macht Spaß, ist sehr kreativ und tut nicht weh. Nur, weil man früher nicht der oder die Allerbeste in Mathe war, muss niemand denken, sie/er könne das nicht lernen. Programmieren ist viel mehr Knobeln als Mathe, es beinhaltet viel Kollaboration und Kommunikation, also wichtige Social Skills. Es gibt auch für Erwachsene ein vielfältiges Angebot, sich im Bereich IT mit Wissen und Kenntnissen zu versorgen. Einfach mal ausprobieren!
Auch echten IT-Profis unterlaufen manchmal haarsträubende Fehler. In unserem Jahresrückblick Cybercrime, Hacks und Software-Fehler: Diese neun Ereignisse sorgten 2021 für Furore haben wir Pleiten, Pech und Pannen der Branche für Sie zusammengefasst.
Nach langjähriger Erfahrung in der Wirtschaft übernahm Dr. Julia Freudenberg 2017 die Leitung der gemeinnützigen Hacker School. Vision der mehrfach ausgezeichneten Organisation ist es, die Jugend - besonders auch Mädchen und sozioökonomisch benachteiligte junge Menschen - für das Programmieren zu begeistern. Die überzeugte Netzwerkerin arbeitet an engmaschigen Kooperationen der Hacker School mit Unternehmen sowie ehrenamtlichen und hauptamtlichen Initiativen im IT-Bereich. Als Mitglied im “Beirat Junge Digitale Wirtschaft” berät sie das Wirtschaftsministerium, ist selbst ehrenamtlich aktiv und glückliche Mutter zweier Kinder.