Erfolgreich digital arbeiten: Ein Interview über digitale Nomaden, Gründen in Deutschland und Homeoffice
Alex, worin besteht deiner Meinung nach die Herausforderung beim digitalen bzw. remote Arbeiten?
Ich denke, das größte Thema ist die Unternehmenskultur, also den Spirit und das Gemeinschaftsgefühl, aufrechtzuerhalten, wenn nicht alle im selben Büro oder am selben Ort arbeiten. Ganz viele Menschen ziehen Ihre Kraft und Motivation aus der Gemeinschaft und das kann verlorengehen, wenn jeder in seinem eigenen Raum sitzt und vor sich hin arbeitet. Dann ist es wichtig, eine Möglichkeit für den strukturierten Austausch zu schaffen. Sei es nun ganz konkret innerhalb der jeweiligen Projekte oder auch zur Beziehungspflege untereinander. Das ist eine Erkenntnis, die wir im letzten halben Jahr (red. Hinweis: während der Covid-19 Pandemie) gewonnen haben. Bei CAYA gab es schon immer viel remote work, als dann aber tatsächlich keiner mehr im Büro war, mussten wir feststellen, dass wir weniger gut auf die Situation vorbereitet waren, als wir zuerst angenommen hatten.
Kannst du ein konkretes Beispiel für Schwierigkeiten nennen, die ihr zuerst nicht bedacht hattet?
Es gibt ganz unterschiedliche Charaktere und Senioritäten in einem Unternehmen. Wir haben gesehen, dass Menschen, die schon lange bei uns gearbeitet haben und viel Berufserfahrung mitbringen, im Homeoffice sogar produktiver geworden sind, weil es keinerlei Ablenkung gab. Gleichzeitig realisiert man möglicherweise nicht, dass Mitarbeiter, die im ersten Job sind, oder Mitarbeiter, die noch wenig Fachwissen mitbringen, weniger schnell vorankommen, weil sie jemanden brauchen, der ihnen auf Zuruf unter die Arme greift. Und diese Leute sind dann nicht nur unproduktiver sondern auch unglücklicher, weil sie ja merken, dass sie nicht so schnell vorankommen wie sie eigentlich könnten. Wir haben das nach einigen Wochen bemerkt und deswegen die Zahl der Meetings erhöht und auf mehr Kommunikation gesetzt. Neben einer Wochenplanung mit einem Review in der Mitte der Woche, hatten wir ein morgendliches Standup, mit eingeschalteter Kamera sowie ein optionales Check-in Meeting am Abend. Die Hauptsache war dabei vor allem in einen persönlichen Austausch zu kommen und mit dem Team im Gespräch zu bleiben, so konnten wie das Kommunikationslevel an die Bedürfnisse des Teams anpassen.
Du sagst, dass die Flexibilität in der Kommunikation besonders wichtig ist und legst auch Wert darauf, dass jeder mit der richtigen Hardware ausgestattet ist...
Naja, also einen Arbeitgeber, der kein gutes Equipment bereitstellt, den verstehe ich nicht. Denn immerhin bezahle ich meinem Arbeitnehmer ja jeden Monat auch ein ordentliches Gehalt. Wenn ich jemandem quasi als Abo-Modell jeden Monat ein paar Tausend Euro bezahle, dann kann ich ihm auch einmal für 1.000 Euro ein ordentliches Setup bereitstellen und da ist es auch vollkommen egal, ob das der Werkstudent ist oder der Geschäftsführer. Mir war es persönlich wichtig, dass meine Leute so ausgestattet sind, dass sie eine gute Grundlage für Produktivität haben.
Gibt’s noch andere Dinge, die deiner Meinung nach unverzichtbar sind, um remote oder als digitaler Nomade zu arbeiten?
Eine gewisse persönliche Eignung braucht man auch. Wenn ich alleine in meinem stillen Kämmerlein arbeite, brauche ich intrinsische Motivation. Bei Mitarbeitern, die sich selbst schwer motivieren können, muss ich als Vorgesetzter eventuell ein tägliches Meeting anbieten. Denn eigentlich will ja jeder gute Arbeit machen und am Ende des Tages etwas vorweisen. Arbeitet man jetzt zum Beispiel in der Karibik, kann das Thema Eigenmotivation doppelt so schwer sein. Da ist dann manchmal der regnerisch-graupelige Montagvormittag in Berlin-Wedding die bessere Kulisse für einen produktiven Arbeitstag.
Und klar, ohne die richtige Software geht es auch nicht. Spätestens, wenn tatsächlich ein Mitarbeiter in der Karibik sitzt, stellt sich die Frage: Wie kann ich Wissen auch über verschiedene Zeitzonen hinweg zugänglich machen? Dann sind klare Dokumentationen, Formularablagen und eine saubere Kundenhistorie elementar für die Zusammenarbeit. Bei CAYA nutzen wir zum Beispiel Notion und ShiftX für die Dokumentation verschiedener Prozesse. Jeder hat also, egal wann er arbeitet, immer Zugang zu allen Informationen, die seine Arbeit betreffen. Außerdem haben wir ja durch Corona gesehen, dass ganze Firmen leer blieben und sich wochenlang keiner um die Post gekümmert hat, bis sich die Reinigungskraft über den Stapel auf dem Boden beschwert hat. Da greift dann ein Service wie der von CAYA. Wir leiten die Post um, öffnen sie, scannen alles ein und am selben Tag habe ich als Kunde alles auf dem Rechner und leite das evtl. noch dem weiter, der es braucht. So verpasse ich auch remote keine Fristen.
Fallen dir neben der vergessenen Post noch andere Probleme ein, auf die digitale Nomaden stoßen können?
Ich glaube, es gibt drei Punkte. Das erste ist das Steuerrecht. Das ist leider recht trocken, aber ein wichtiger Faktor. Von Anfang an muss klar sein: Wie viel Geld muss ich zur Seite legen und wo zahle ich Steuern. Ansonsten ist man schnell in zwei Ländern steuerpflichtig ohne es zu merken oder man wird am Ende des Jahres vom Finanzamt geschätzt und erlebt eine böse Überraschung. Am besten holt man den Steuerberater noch vor der Gewerbeanmeldung ins Boot. Das zweite haben wir bereits angesprochen, man muss der Typ sein, der sich auch am Strand selbst motivieren und organisieren kann. Und nicht zuletzt: die wenigsten Arbeitgeber erlauben ihren Mitarbeitern einfach von überall auf der Welt zu arbeiten. Deswegen läuft bei digitalen Nomaden das Gründen häufig parallel zur Reise und dann muss ich sicherstellen, dass mein Einkommen auch währenddessen gesichert ist. Erfolgreiche digitale Nomaden haben sich normalerweise ausführlich Gedanken gemacht, bevor sie den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Ich kenne viele Leute, die neben der Arbeit die Selbständigkeit langsam etablieren, später beides in Teilzeit machen, um letztendlich auf einer verlässlichen Basis vollständig ins Unternehmertum zu starten.
Alex, du hast ja bereits erfolgreich gegründet. Deine Firma CAYA hat mittlerweile über 10.000 zufriedene Kunden. Wie bist du denn überhaupt auf die Idee gekommen, die Briefpost zu digitalisieren?
Ganz simpel eigentlich. Ich bin einige Jahre die Karriereleiter hochgeklettert und habe dann zum ersten Mal mehrere Wochen am Stück Urlaub gemacht. An die Post habe ich überhaupt nicht gedacht und die Szene bei meiner Rückkehr war dementsprechend filmreif. Ich hab den Posthaufen aus dem Briefkasten genommen und mich mit dem Papierberg und meinen Koffern in die Wohnung gekämpft, wo ich erst mal alles auf dem Tisch abgeladen habe. Da lag allerdings schon Post, die hatte ich vor meinem Urlaub nicht mehr bearbeitet. In einem der Haufen war auch noch die erste Steuerfestsetzung vom Finanzamt. Viel schlimmer war aber eigentlich, ich hatte extra noch zwei Tage Urlaub geplant, um mich nach dem langen Urlaub langsam wieder einzuleben. Ich hatte einen langen Rückflug hinter mir und schon alle Slack-Nachrichten abgearbeitet, aber als ich durch die Tür gekommen war, hatte ich schon wieder einen Tag Arbeit vor mir. Das hat mir komplett widerstrebt und mich auch einfach genervt. Als ich dann gesehen habe, dass keine Firma eine Lösung für dieses Problem anbietet, welche kleinen Unternehmen und Mittelständlern genügt, habe ich angefangen, mich intensiv damit zu befassen. Durchs Digitalisieren komme ich ja nicht nur direkt an meine Post, ich kann Rechnungen zum Beispiel direkt an den richtigen Empfänger weiterleiten oder entsprechende Belege an den Steuerberater, das lässt sich ja ganz einfach automatisieren und dann hab ich nicht nur ein Problem gelöst, sondern sogar einen Mehrwert geschaffen.
Bei dir klingt das total einfach, aber so eine Gründung geschieht ja nicht von heute auf morgen. Verrätst du uns auch, auf welche Hürden du gestoßen bist?
Nein, also von heute auf morgen geht’s wirklich nicht. Von der Idee zur Gründung hat es bei mir 8 Monate gebraucht. Dabei war das Wichtigste für mich, das Unternehmen durchzufinanzieren und es rechtlich sauber aufzusetzen. In unserem Feld gelten viele Datenschutzgesetze und auch das Briefgeheimnis. Zudem wissen viele Leute gar nicht, dass es unser Produkt gibt. Das übersetzt sich in hohe Kosten für verschiedene Rechtsberater und Marketingkosten, um die Awareness für das Produkt zu steigern. Danach war es aber, nach deutschen Verhältnissen, relativ einfach.
Du sagst „nach deutschen Verhältnissen“. Da sprichst du vielen Gründern aus der Seele, in vielen anderen Ländern ist eine Gründung ja einfacher als hier. Kannst du anhand deiner Kunden sagen, wo es besonders einfach ist zu gründen oder als digitaler Nomade zu arbeiten?
In Europa sind Spanien und Portugal ganz vorne mit dabei. Ja, es gibt auch den klassischen Deutschen, der in der Finca auf Mallorca arbeitet. Ansonsten sind Thailand und Marokko recht beliebt, Südafrika kommt gerade in Mode. Das sind alles Länder, wo man hingeht, um dem deutschen Winter zu entgehen. Wenn ich mich jetzt aber frage, wo ich Steuern spare oder wo die Hürden geringer sind, komme ich auf andere Länder. Wer großen Wert auf wenig Bürokratie bei der Gründung legt, sollte sein Glück zum Beispiel in Estland suchen, wer Wert auf Steuerersparnis legt, vielleicht eher in Malta. Zypern bietet von allem etwas. Es ist ein sonniges Land mit einer geringen Steuerlast für Selbständige, bietet eine gute Infrastruktur und ist nicht weit weg von Deutschland.
Klar, die Infrastruktur ist für Unternehmen nicht zu vernachlässigen. In vielen Dingen hat Deutschland da auch noch etwas aufzuholen, Stichwort: schnelles Internet. Wenn du dir von der Regierung etwas wünschen könntest, das Gründungen erleichtert, was stünde auf deinem Wunschzettel?
Du hast ein paar Schritte, die sind nervig, aber an sich schon in Ordnung. Du musst zum Notar und eine relevante Stammeinlage hinterlegen, du musst zum Finanzamt und zusätzlich beim Gewerbeamt dein Gewerbe anmelden. Wenn Deutschland digitaler wäre, müsste man dabei nicht so viele Formulare ausfüllen und dann, man glaubt es kaum, hin faxen. Das ist schon okay, am Anfang der Gründung macht man das einmal und dann passt das.
Viel wichtiger finde ich aber, dafür zu sorgen, dass Leute die Unterstützung bekommen, die sie zum Gründen brauchen. Meine Ersparnisse stecken zum Beispiel komplett in CAYA, ganz viele Leute können sich aber das Grundkapital für eine eigene Firma nicht nebenher wegsparen. Die beiden Möglichkeiten, die es gibt, sind ein Stipendium, dafür muss ich das passende studiert und auch noch Glück haben, oder ich bekomme einen Gründungszuschuss vom Arbeitsamt, dazu muss ich aber vorher arbeitslos sein. Wir haben in Deutschland zwar ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, aber unterdurchschnittliche Sparquoten und Kapitalverfügbarkeit. Das heißt, wer ganz normal arbeitet, hat meist nicht die Flexibilität nebenher etwas auszuprobieren, weil der Alltagsjob gerade so die eigenen Bedürfnisse abdeckt. Es wäre viel zielführender und wirtschaftlicher für uns als Gesellschaft, wenn wir mehr Menschen die Möglichkeit geben würden, innovative Ideen umzusetzen und selbst zu gründen.
Außerdem ist die Steuergesetzgebung für junge Unternehmen hoch komplex. Viele Ausnahmefälle und Sonderkonstellationen sind nur noch von Experten zu durchschauen. Du brauchst schnell einen Anwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und das kostet einfach Geld. Da fehlt es von staatlicher Seite an Kapitalfinanzierungen, die Gründern das Leben vereinfachen würden.
Mit seiner Einschätzung steht Alexander Schneekloth übrigens nicht alleine da. Laut einer Studie des Bitkom aus 2019 finden 66 Prozent aller befragten Startups, dass in Deutschland nicht genügend Venture Kapital zur Verfügung steht. Abbildung: Bitkom Startup Report 2019 S. 30
Kannst du dich an Fehler erinnern, die dir bei der Gründung unterlaufen sind und aus denen du lernen konntest oder lief bei dir alles perfekt?
Ich glaube, wer von sich behauptet, dass alles perfekt gelaufen ist, der hatte entweder sehr viel Glück oder er lügt. Einen Fehler, den ich gemacht habe, ist, dass ich an manchen Stellen zu viel wollte, also zu viel selber investiert hatte an Zeit, Commitment und Geld. Dabei hab ich nicht einmal Pause gemacht, um Dinge mit Distanz zu betrachten. Ursprünglich haben wir zu dritt gegründet, aber nach ein paar Monaten hat sich herausgestellt, dass die Art und Weise wie wir das Projekt CAYA angegangen sind zu unterschiedlich war. Letztendlich mussten wir uns trennen und ich habe mir neue Mitstreiter gesucht. Das wieder aufzuräumen war ziemlich viel Arbeit. Hätte man das am Anfang sauberer beurteilt, wäre es wahrscheinlich gar nicht so weit gekommen. Aber auch das hat CAYA überstanden und seitdem ein ordentliches Wachstum hingelegt.
Wir wünschen CAYA auch weiterhin viel Erfolg! Vielen Dank Alex für deine Zeit und den spannenden Einblick in deine persönlichen Erfahrungen als Gründer.
Alexander Schneekloth ist Experte auf dem Gebiet der digitalen Geschäftsprozesse und deren Optimierung (BPM & BPO). Als erfahrener Unternehmer und Manager (u.a. Movinga und Kreditech) hat Alexander früh erkannt, dass viele Unternehmen nicht ausreichend für eine digitale Zukunft gerüstet sind. Daher hat er es selbst in die Hand genommen, um mit CAYA den eingestaubten Prozess der täglichen Eingangspost zu digitalisieren. Mittlerweile digitalisiert CAYA die Post von über 10.000 Kunden und spezialisiert sich hierbei besonders auf kleine und mittlere Unternehmen.
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